Einst stand ein
Bogenschütze auf der Wiese vor seinem kleinen Häuschen und schoss
Pfeile auf eine Scheibe. Er legte den Pfeil an die Sehne,
spannte, zielte und löste – und jedesmal traf der Pfeil die Mitte
der Scheibe, denn er war ein guter Bogenschütze.
Da setzte sich ein Vogel
auf einen Ast in seiner Nähe und betrachtete ihn mit schiefgelegtem
Kopf.
”He, du, willst du
einen Schatz finden?“
Erschrocken fuhr der
Bogenschütze herum. Er sah niemanden. Doch erneut ertönte die
Stimme:
”He du, willst du einen
Schatz finden?“
Tatsächlich, der Vogel
hatte zu ihm gesprochen!
”Einen Schatz?
Natürlich, jeder findet gerne einen Schatz!“
”Nun, so höre genau
zu, und ich verrate dir, wie du es anstellst! Stelle dich auf die
Schwelle der Haustür deines Hauses. Lege deinen ältesten Pfeil in
deinen Bogen ein. Dort, wo er nach dem Lösen auf den Boden
aufschlägt, musst du graben und du wirst einen Schatz finden.“
Damit flog der Vogel
davon.
Der Bogenschütze rannte
zu seinem Haus, stellte sich auf seine Türschwelle, legte seinen
ältesten Pfeil ein, spannte den Bogen vor Erwartung zitternd, und
löste den Schuss. Weit flog der Pfeil, bis auf das Grundstück
seines Nachbarn, eines reichen Bauern. Der Bogenschütze packte seine
Schaufel und eilte dem Pfeil nach. Als er ihn fand, da steckte der
Pfeil genau vor den Füßen seines Nachbarn, der gerade auf seinem
Feld unterwegs war. ”Ja, spinnst, Nachbar? Schießt mir einen Pfeil
vor die Füße! Kann man nicht mal auf seinem eigenen Feld ohne
Gefahr spazieren gehen?“
Da erzählte der
Bogenschütze dem Bauern von dem Vogel.
”A Vogel, aha. Jaja. Na
wennst meinst. Aber das sag ich dir: das ist mein Land, also gehört
die Hälfte vom Schatz mir, ja.“ Was blieb dem Bogenschützen
anderes übrig, als zuzustimmen. ”Na, dann grab.“ Und der
Bogenschütze grub. Und grub. Aber er fand keinen Schatz.
”Na, entweder hat dich
der Vogel am Schmäh ghabt oder – na klar, eh klar. Wo ist der
Pfeil glandet? Vor meine Füß. Das kann nur heißen, dass eigentlich
ich den Pfeil schießen soll!“
So liefen sie zurück zum
Häuschen des Bogenschützen. Der Bauer stellte sich auf die
Türschwelle, legte den ältesten Pfeil an die Sehne spannte, löste
– und der Pfeil flog weit davon. Der Bogenschütze schnappte die
Schaufel und sie liefen dem Pfeil hinterher.
Als sie ihn fanden,
steckte er direkt vor den Füßen des Grafen, der auf seinen
Ländereien spazieren ging. ”Verdammt noch mal, was soll das? Geht
man spazieren, wird man attackiert! Ich verlange Genugtuung!
Zumindest Rechtfertigung!“
Der Bauer erzählte dem
Grafen von dem Vogel und dem Schatz.
”Ahso, nun ja. Ist ja
wohl klar, dies sind meine Ländereien, mir gehört die Hälfte vom
Schatz!“
”Eh klar, Herr Graf,
und vom Rest ghört die Hälfte mir, weil ich hab ja den Pfeil zu
ihren Füßen geschossen.“
”Gut, dann grabt.“
”Hast ghört,
Bogenschütze, graben sollst.“
Und der Bogenschütze
grub. Und grub. Doch er fand keinen Schatz.
”Nun, klare Sache.
Meine Füße – ich soll schießen!“
Und so eilten sie zum
Haus zurück und der Graf stellte sich auf die Türschwelle, legte
den ältesten Pfeil an die Sehne spannte, löste – und der Pfeil
flog weit davon. Der Bogenschütze schnappte die Schaufel und sie
liefen dem Pfeil hinterher.
Als sie ihn fanden,
steckte er genau vor den Füßen des Königs.
”Alarm, Attentat! Man
versucht, mich umzubringen!“
Der Graf erklärte dem
König, was geschehen war.
”Soso. Ein Schatz. Nun,
dies ist mein Reich, so gehört mir die Hälfte des Schatzes.“
”Natürlich, Majestät.
Mir die Hälfte vom Rest, hab ich doch den Pfeil geschossen.“
”Und mir die Hälfte vom
Rest von der Hälfte, weil ich hab den Pfeil zu den Füßen vom
Grafen geschossen.“
”Nun denn, Untertanen, so
grabt.“
”Gehört? Graben!“
”Hast ghört,
Bogenschütze? Graben sollst.“
Und der Bogenschütze grub.
Und er grub. Aber er fand keinen Schatz.
”Nun, die Sache ist ja
wohl klar. Ich bin der König, ich muss den Pfeil schießen.“
Und so eilten sie zum Haus
zurück und der König stellte sich auf die Türschwelle, legte den
ältesten Pfeil an die Sehne spannte, löste – und der Pfeil flog
weit davon. Der Bogenschütze schnappte die Schaufel und sie liefen
dem Pfeil hinterher.
Als sie den Pfeil fanden, steckte er in der Wiese – und weit und breit war kein Mensch zu sehen. ”Na eben“, sagte der König. ”Höher als ich gibt es nicht. Hier sind wir richtig.“
Als sie den Pfeil fanden, steckte er in der Wiese – und weit und breit war kein Mensch zu sehen. ”Na eben“, sagte der König. ”Höher als ich gibt es nicht. Hier sind wir richtig.“
Und der Bogenschütze grub.
Und grub. Und grub. Doch da war kein Schatz.
”Sehr peinlich“, meinte
der König. ”Blamabel regelrecht. Na, ein Vogel, ts. Also, meine
Herrschaften, genug von dem Spaß. Dass mir niemand von ihnen auch
nur je ein Wort von diesem Schatz erwähnt, verstanden? Sehr
blamabel.“ Und der König ging.
”Gehört? Stillschweigen!
Kein Wort!“ Und auch der Graf ging.
”A schöner Schaß, ned?
Der Vogel hat dich ganz schön verscheißert... naja, vergess mas
halt.“ und auch der Bauer ging.
Der Bogenschütze ging
nachdenklich nach Hause. Hatte der Vogel ihn wirklich angelogen?
Vor seinem Haus saß sein
Sohn in der Sonne.
”Sag Papa, was ist denn da
heute los, all die fremden Leute.“
Und der Bogenschütze
erzählte ihm von dem Vogel und dem Schatz.
”Aber wo wir auch gegraben
haben, wir haben keinen Schatz gefunden. War wohl ein Lügenvogel.“
”Nein, Vater, das glaub
ich nicht. Sag, was hat der Vogel genau gesagt?“
”Er sagte, Stelle dich auf
die Schwelle deines Hauses. Lege deinen ältesten Pfeil in deinen
Bogen ein. Dort, wo er nach dem Lösen auf den Boden aufschlägt,
musst du graben und du wirst einen Schatz finden.“
Da lachte der Sohn. ”Vater,
ich weiß, wo der Schatz ist! Gib her!“ Und er nahm den Bogen und
den Pfeil, stellte sich auf die Türschwelle und sagte: ”Du hast
nicht genau zugehört. Pass auf, ich mache nun genau das, was der
Vogel sagte.“
Und er legte den ältesten
Pfeil an die Sehne, doch statt zu spannen, ließ er einfach los, und
der Pfeil plumpste zu Boden, direkt vor der Türschwelle. ”Er hat
nichts von spannen gesagt. Hier musst du graben.“
Und der Bogenschütze grub.
Und tatsächlich, da war der Schatz, eine ganze Kiste voller
Goldmünzen. Und der Bogenschütze musste ihn nicht einmal mit
jemandem teilen, denn der König hatte ihnen ja geboten, nie auch nur
ein Wort über den Schatz zu verlieren...
(von Mariou, nach einer alten Legende)